Online-Trading: Sell in May and go away

"Sell in May and go away, stay away till St. Leger's Day", lautet eine alte Börsenweisheit - weniger klangvoll auf Deutsch: Mach dich im Mai von Aktien frei und sei frühestens Mitte September (St. Leger's Day) wieder dabei.

Was hinter der Börsenregel steckt: Historisch betrachtet sind die Wintermonate für den Anleger die lukrativeren. Das belegen viele Studien, unter anderem die Analyse der Keppler Asset Management aus dem Jahr 2003, die mehr als drei Jahrzehnte und 18 Länder umfasste. Das Ergebnis: Nahezu die gesamten Kursgewinne werden von November bis April erzielt, während die Anleger von Mai bis Oktober im langfristigen Durchschnitt keine Kurszuwächse verbuchen (siehe Tabelle). Einerseits, weil Investoren zu Jahresende aus steuerlichen Gründen Aktien verkaufen, um Gewinne mit Verlusten gegenrechnen zu können. Andererseits sind institutionelle Anleger aufgrund der Jahresberichtlegung Ende Dezember gezwungen, sich von Positionen zu trennen. Somit ist zu Jahresbeginn wieder viel Geld für frische Investments vorhanden, was im ersten Quartal üblicherweise die Kurse ankurbelt. Auch werden Jahresberichte in der Regel für strategische Investments genauer studiert als Monatsberichte und demnach veranlagt. Eine Rolle spielt auch der gute Neujahrsvorsatz, einen Teil seines Vermögens als Vorsorge anzulegen. Nicht zuletzt urlaubt man in der Regel im Sommer und kümmert sich hier weniger um die Finanzen. Um es in Zahlen zu gießen: Der "Stock Traders Almanach" berechnete, wie viel Ertrag man mit 10.000 Dollar über 56 Jahre hinweg gemacht hätte, wenn man im Dow-Jones-Index investiert gewesen wäre. Wäre man nur in den sechs besten Monaten investiert gewesen und ansonsten in Festverzinslichem, so käme man auf 544.323 Dollar, hätte man nur in den sechs schlechtesten Monaten das Aktieninvestment gehalten, wäre das Vermögen auf 272 US-Dollar geschrumpft.

Sell in May and go Away

Historisch betrachtet sollten Anleger im Mai ihre Aktien verkaufen und im September wieder einsteigen.

In der kalten Jahreszeit liefern Aktien höhere Renditen als im Sommer. Das kann anhand langjähriger Statistiken belegt werden: In der Zeit von 1950 bis 2004 wurde im Dow-Jones-Index zwischen dem 1. November und 30. April ein durchschnittlicher Wertzuwachs von 7,9 Prozent erzielt, während in der flauen Saison vom 1. Mai bis zum 31. Oktober lediglich ein Ertrag von 0,3 Prozent blieb. Selbst wenn Anleger auf kurzfristige Spareinlagen nur netto 3,5 Prozent p. a. erhalten hätten, würde dies im schwächeren Börsenhalbjahr einer Performancedifferenz von 1,45 Prozent entsprechen.

Noch eine mögliche Erklärung liefert die Psychologie bzw. die Behavioural Finance. Diese schiefe Verteilung der saisonalen Renditen könnte das Resultat eines ritualisierten Erneuerungsdenkens hin zur Jahreswende sein. So wird das alte Jahr bereits im November mental abgeschlossen und alle Kräfte und Gedanken konzentrieren sich auf das neue Jahr, in das alle erdenklichen Verbesserungen projiziert werden. Doch zu hohe Erwartungen könnten bereits nach den Ergebnissen des ersten Quartals ab April enttäuscht werden. Mit der allgemeinen Kenntnis dieser Zyklen hingegen wächst die Wahrscheinlichkeit, dass sich vergangene Entwicklungen zukünftig nicht mehr im gewohnten Ausmaß periodisch häufen, sondern zunehmend neue Verhaltensmuster die Märkte prägen.